NorM - Normen rund um Mutterschaft: Was macht eine ‚gute‘ Mutter aus? Neue Einblicke in normative Leitbilder der ‘guten Mutter‘ in Österreich
Heute erfüllen Mütter nicht mehr nur die Rolle als Hausfrauen und Betreuungspersonen, sondern zeichnen sich durch höhere Bildung und erhöhte Erwerbsbeteiligung aus. Dennoch bleibt die Vorstellung, dass nur eine Mutter die hauptverantwortliche und am besten geeignete Betreuungsperson für ein Kind ist, hartnäckig bestehen. Die Veränderungen im Geschlechterverhältnis wurden daher als „unvollständig“ bezeichnet und in einer Vielzahl an Studien erforscht. Allerdings fehlt bis heute eine differenzierte Untersuchung sozialer Normen in Bezug auf „gute“ Mutterschaft, die sowohl kollektiv geteilte und potentiell widersprüchliche Normen, deren Bedeutung für Mütter sowie die von Müttern entwickelten Strategien im alltäglichen Umgang mit diesen Normen analysiert.
Vor diesem Hintergrund verfolgt die geplante Studie daher zwei Ziele: (1) zu ergründen, welche kollektiven Leitbilder einer „guten“ Mutter in verschiedenen Gruppen innerhalb Österreichs (unterschiedlich nach Region, Geschlecht, Bildungsniveau, Familienstatus und Alter) vorhanden sind; und (2) zu analysieren, welche Strategien Mütter entwickeln, um diese normativen Leitbilder in ihr Handeln zu integrieren. Unsere Forschungsfragen sind: Welche normativen Leitbilder existieren in unterschiedlichen Kontexten in Österreich und wie entstehen diese Normen und Leitbilder, wie werden sie von Menschen diskutiert, legitimiert und gehandhabt, sowohl in kollektiver als auch in individueller Hinsicht?
Normen und Diskurse rund um Mutterschaft hängen eng mit politischen Rahmenbedingungen und wohlfahrtsstaatlichen Regelungen zu Elternkarenz, Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung zusammen und werden in Bezug zu einem allgemeinen Verständnis darüber, was eine gute Mutter ausmacht, entwickelt. Österreich ermöglicht als konservativer EU-Wohlfahrtsstaat eine im Vergleich zu anderen Staaten besonders lange Elternkarenz von zwei Jahren. Gleichzeitig bietet die damit zusammenhängende Geldleistung sehr viele unterschiedliche, sehr viel kürzere aber auch noch längere Optionen. Wir analysieren daher auch, inwiefern unterschiedliche soziale Normen „guter“ Mutterschaft mit dieser rechtlich möglichen Vielfalt und anderen strukturellen Rahmenbedingungen in Österreich zusammenhängen.
Wir nehmen dabei eine differenzierte Perspektive auf Mutterschaft ein, entlang eines erweiterten kulturanalytischen Zugangs. Das Forschungsdesign ist multimethodisch und sequentiell angelegt und beinhaltet einerseits Gruppendiskussionen mit Unterstützung von Vignetten in vier Regionen Österreichs, in Gruppen, die bezüglich Geschlecht, Bildungsniveau, Familienstatus und Alter variieren. Andererseits werden Mütter mittels Einzelinterviews befragt, um ihre Wahrnehmungen und ihren Umgang mit Mutterschaftsnormen rekonstruieren zu können. Die Analyse erfolgt anhand der Dokumentarischen Methode. Die Ergebnisse sollen zukünftige Forschungen anregen, die sich mit den individuellen und sozialen Konsequenzen von konformem und abweichendem Verhalten beschäftigen.